Der Ćišinski-Preis ist die höchste Auszeichnung der Sorben. Mit dem Preis, der durch die Stiftung für das sorbische Volk alle zwei Jahre vergeben wird, werden herausragende Leistungen auf dem Gebiet der sorbischen Kultur, Kunst oder Wissenschaft gewürdigt und vielversprechende Anfänge in diesen Bereichen gefördert. Der Preis wird im Andenken an Jakub Bart-Ćišinski (1856–1909), den Klassiker der sorbischen Literatur, verliehen.
Die Verleihung des Ćišinski-Preises und des Ćišinski-Förderpreises 2021 übernahm am Samstag, den 16. Oktober 2021im Festsaal des Sorbischen Museums in Bautzen, die Sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus, Frau Barbara Klepsch.
Der Ćišinski-Preis 2021 der Stiftung für das sorbische Volk wurde an Trudla Malinkowa und Jan Malink für ihre herausragende publizistische Tätigkeit auf dem Gebiet der sorbischen Kulturgeschichte, ihr besonderes Engagement in der wissenschaftlichen Gesellschaft Maćica Serbska und im Sorbischen evangelischen Verein sowie für ihr Wirken für das sorbische Volk verliehen.
Trudla Malinkowa ist eine bekannte Autorin von Büchern über sorbische Persönlichkeiten und Auswanderer. Gemeinsam mit ihrem Ehemann hat sie das im Domowina-Verlag herausgegebene Buch mit dem Titel Zrudoba to běše a nadźija (Traurigkeit war da und Hoffnung) über den sorbischen Schriftsteller und Geistlichen Mikławš Andricki erstellt und vermittelt zugleich Einblicke in das soziale und religiöse Leben der Sorben in katholischen Dörfern Ende des 20. Jahrhunderts. Zum 100. Geburtstag von Marja Kubašec erstellte sie ein Lebensbild der sorbischen Lehrerin und Schriftstellerin A znowa maš so rozsudźić (Und wieder musst du dich entscheiden). Seit 2014 liegt das Buch auch in überarbeiteter Version in deutsch vor. Im Jahr 2018 gab der Domowina-Verlag die Erzählung von Maria Kubasch Row w serbskej holi dreisprachig heraus (sorbisch-deutsch-polnisch), in Verbindung mit den Forschungen von Trudla Malinkowa zu den authentischen Begebenheiten, die der Erzählung zugrunde liegen.
Trudla Malinkowas Forschungsergebnisse schlummern nicht in Schränken, sondern sind einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Dies beweist eine große Anzahl von Aufsätzen in Zeitungen und Zeitschriften. Zugleich ist sie in der Ober- und Niederlausitz bekannt als sachkundige und redegewandte Referentin. Sie erarbeitete Ausstellungskonzepte für das Sorbische Museum in Bautzen, wie z.B. 1998 zum Auswanderungsthema oder im Jahr 2011 zum 200. Geburtstag von Jan Kilian. Besonders hervorzuheben ist ihre Konzeption für die Ausgestaltung des Wohnhauses und Ateliers von Měrćin Nowak-Njechorński als Gedenkstätte des sorbischen Künstlers und Schriftstellers in Nechern, die 1999 eröffnet wurde. Sie macht T. Malinkowas Forschungen anschaulich zugänglich und verbreitet Wissen über die Sorben und ihrer Kulturgeschichte.
In der Zeit der politischen Wende 1989 engagierte sich Jan Malink, wie auch seine Frau, in der Sorbischen Volksversammlung (Serbska narodna zhromadźizna). Er vertrat die Sorben am Zentralen runden Tisch in Berlin und war eine wichtige und überzeugende Stimme für die Anerkennung der Interessen und die Förderung von Maßnahmen für das sorbische Volk. Nach der Gründung der Stiftung für das sorbische Volk war Jan Malink die ersten Jahre Mitglied des Stiftungsrates.
Zahlreich sind die Veröffentlichungen Jan Malinks zur sorbischen Literatur und zu bedeutenden sorbischen Persönlichkeiten in den Zeitschriften Pomhaj Bóh, Rozhlad und im Lětopis. Unter anderem verfasste er Aufsätze zu Jakub Lorenc-Zalěski, Michał Hórnik, Jaroměr Hendrich Imiš, Albert Wawrik und Jan Wałtar.
Die sorbische Kirchengeschichtsschreibung hat Jan Malink mit seiner Forschungsarbeit bereichert und durch seine Herausgebertätigkeit das aktuelle Wissen in die Öffentlichkeit getragen.
Die lebendige sorbische Sprache war und ist ihm wichtig. Unermüdlich arbeitete er unter anderem an den Texten und Übersetzungen für die neueste Ausgabe des sorbischen Gesangbuches.Auf Initiative Malinks wurde 1994 der Sorbische evangelische Verein gegründet.
Der Ćišinski Förderpreis 2021 wurde an Jadwiga Kaulfürst und Dr. Fabian Kaulfürst für ihr vielseitiges und engagiertes Wirken auf dem Gebiet der sorbischen Sprache und Kultur, für die Umsetzung kreativer Projekte sowie die Pflege der Beziehungen zwischen Ober- und Niederlausitz und zu slawischen Nachbarn verliehen.
Jadwiga Kaulfürst, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Sprachmarketing und wissenschaftliche Arbeit beim WITAJ-Sprachzentrum in Bautzen, leitet seit 2010 den Chor Lipa in Panschwitz-Kuckau. Mit ihrer konsequenten Probenarbeit führte sie den Chor auf ein hohes Gesangsniveau. Das Repertoire des Chores umfasst sorbische Volkslieder und Kunstlieder, sie gestalten sorbische Messen aus und führen gemeinsam mit anderen Chören sorbische Oratorien von Zejler und Kocor auf.
Auf Initiative der Eheleute Kaulfürst wurde 2016 das neue Format Lipa@přećel.jo gegründet. Der Chor Lipa begeistert seitdem mit modernem Repertoire, neuen Schlagern und Popmelodien. Fabian Kaulfürst schrieb dazu mehrere Sätze und komponierte eigene Lieder.
Für die Gruppe “Přezpólni” forschten die Eheleute über die längst vergessene sorbische Männertracht und initiierten ein neues Outfit für die Gruppe. Gemeinsam prägten sie auch die musikalische Handschrift des Sorbischen Folkloreensembles Wudwor.
Dr. Fabian Kaulfürst studierte an der Universität Leipzig Sorabistik, Politikwissenschaft und Religionswissenschaft und promovierte 2010 zum Thema Studien zur Sprache von Michael Frenzel (Studije k rěči Michała Frencla). Heute arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sorbischen Institut, Abteilung für Niedersorbische Forschungen. Er wirkte mit an zahlreichen Publikationen des Sorbischen Institutes. Verantwortlich für die Organisation und Durchführung der Ferialkurse des Sorbischen Instituts, hält Fabian Kaulfürst bis heute die Verbindung zu Sorbisch-Interessenten aufrecht.
Dr. Fabian Kaulfürst ist Sprachberater des Vereins Kólesko in Schleife. Das Schleifer Sorbisch lernte er an der Leipziger Universität von Hinc Rychtar; später gab er ein Buch mit Texten von Hanso Nepila heraus. Fabian Kaulfürst ist ausgezeichneter Kenner des Schleifer Dialekts. Unterwegs in dieser Region, spricht er konsequent sorbisch.
Das Ehepaar Kaulfürst ist Mitglied der Maćica Serbska und dort in der Obersorbischen Sprachkommission tätig. Fabian Kaulfürst sorgt ausserdem als Sprecher der Niedersorbischen Sprachkommission für die weitere Entwicklung und Weitergabe des Niedersorbischen.
Gemeinsam mit Jan Rjeda entwickelte Fabian Kaulfürst für den brandenburgischen sorbischen Rundfunk RBB das Format „Kukojskej kukawje - co se w Górnej Łužycy tšoji“ (Zwei Kuckauer Starkästen – Was tut sich in der Oberlausitz). In diesem Rahmen berichtet er über Neuigkeiten aus der Oberlausitz.
Die Konzipierung eines Ćišinski-Pfades und dessen Ausgestaltung ist das jüngste Projekt des Ehepaares. Der Themenweg bietet die Möglichkeit, den sorbischen Dichter und Geistlichen auf unterhaltsame Art und Weise und mit Hilfe des Smartphones kennenzulernen. Zwischen vier Angeboten kann gewählt werden, eines ist deutsch-, die anderen sind sorbischsprachig. Die Versionen für Kinder bzw. für Jugendliche wurden speziell für Schulklassen sorbischer Schulen entwickelt, das dritte sorbischsprachige Angebot richtet sich an Erwachsene. An den Stationen hören oder lesen Interessierte ein fiktives Interview mit Jakub Bart-Ćišinski, außerdem werden Gedichte, historische Fotos und Hinweise auf zusätzliche Abstecher angeboten.
Über die Zuerkennung des Ćišinski-Preises und des Ćišinski-Förderpreises entscheidet dem Statut entsprechend ein Kuratorium. Ihm gehören Mitglieder sorbischer Vereine aus der Ober- und Niederlausitz an. Den Vorsitz des Kuratoriums führt die Vorsitzende des Stiftungsrates, Frau Susann Schenk. Nach der Satzungsänderung im vergangenen Jahr ist der Ćišinski-Preis nun mit 12.000 Euro dotiert, der Ćišinski-Förderpreis mit 4.000 Euro. Beide Preise werden mit einer Urkunde und einer Ehrennadel mit dem Bildnis Ćišinskis übergeben.
Video zur Preisverleihung am 16.10.2021